Die Geschichte von Abo aus Aleppo

Abo

Abed, von allen Abo genannt, ist fünf Jahre alt und stammt aus Aleppo in Syrien. Sein Vater fiel vor zweieinhalb Jahren während heftiger Kämpfe um Aleppo. Die Erinnerungen an ihn gehören zu den ersten Bildern, die sich in Abos Gedächtnis eingebrannt haben. Das ist auch das Einzige, was ihm geblieben ist. Abo sah die Bomben vom Himmel fallen. Er hörte die Explosionen, das Rattern der Waffen und die Schüsse, die in den Mauern ihres Hauses einschlugen. Er sah Männer mit Gewehren und er sah Menschen sterben. „Er wollte ständig ein eigenes Gewehr haben“, erzählt seine Großmutter Iman Kinno. Schon auf der langen Flucht aus Syrien stellte er unaufhörlich Fragen und ließ sie nicht zur Ruhe kommen. „Am Ende habe ich ihm eine Spielzeugpistole gekauft.“ Allein die Erinnerung daran lässt die alte Frau frösteln. „Er sagt, er wolle uns beschützen. ’Wenn Flugzeuge kommen, will ich sie abschießen’, meinte er einmal.“

Iman Kinno hat sieben Enkelkinder, die meisten kaum älter als Abo. Der Krieg hat sie alle zu Waisen gemacht und sie hat alle gerettet. Zweimal überquerte die 64-Jährige dafür die gefährliche Grenze, wurde dabei festgenommen, verhört und geschlagen. Trotz der Entbehrungen, der Trauer um ihre Kinder und der Sorgen um die Zukunft bleibt sie von bemerkenswerter Güte und Geduld. Vor ihren Enkeln zeigt sie keine Schwäche. Sie ist Mutter, Großmutter und Beschützerin in einem: Sie tröstet, kocht, erzieht, hilft beim Lernen, schlichtet Streit und oft alles gleichzeitig. „Allah hat mir die Kraft gegeben, mich um meine Enkel zu kümmern“, sagt sie mit einem sanften Lächeln. Ihre Augen leuchten, als sie hinzufügt: „Und wenn sie gar nicht hören, dann drohe ich mit Mr. Ali.“

Mr. Ali – so nennen sie Ali Tafesh. Für die Kinder ist er ein Vorbild, fast wie ein Vater. Der libanesische Landbesitzer nimmt sich ihrer an: Rund 50 syrischen Familien hat er auf seinem Land in Ketermaya eine Zuflucht geschaffen. Er stellte Baumaterial für einfache Unterkünfte bereit, sorgt für Wasser und Strom und spendet Schulmaterial. Geld verlangt er keines. „Es ist meine menschliche und religiöse Pflicht“, sagt er schlicht. Auch Islamic Relief unterstützt die Familien mit Lebensmitteln, Kleidung, Hygieneartikeln, Medikamenten und psychologischer Betreuung. Für Kinder wie Abo gibt es kreative Angebote: Malen, Singen, Rollenspiele – kleine Schritte, um seelische Wunden zu heilen. So kehrt ein Stück Normalität in ihr Leben zurück.

Abo spielt heute nicht mehr mit seiner Spielzeugpistole. Stattdessen sucht er Geborgenheit im Schoß seiner Großmutter, küsst ihre runzligen Wangen und hält sich fest an ihr. Iman Kinno versucht, ihre Sorgen nicht zu zeigen. Lieber blickt sie hoffnungsvoll nach vorne. „Ich wünsche mir, dass meine Kinder eines Tages nach Syrien zurückkehren. Dass sie dort wieder arbeiten, Häuser bauen und ein friedliches Leben führen können.“ Abo nickt ernst. „Ich will Bauingenieur werden“, sagt er stolz, „und große Häuser bauen.“

Doch zuerst kommt der Winter – der dritte seit ihrer Flucht. Abo und seine Großmutter fürchten die Kälte, den Regen und den Schnee. Die Hütten sind schlecht isoliert, das Dach undicht, die Decken zu dünn. Wenn der Wind durch die Ritzen pfeift, wird es selbst tagsüber eisig. Ohne zusätzliche Hilfe können sie die kalten Monate kaum überstehen. „Ein Ofen, warme Kleidung, feste Schuhe und etwas Geld würden uns retten“, sagt Iman Kinno leise und zum ersten Mal bricht ihre Stimme.

Tausende Kinder wie Abo und ihre Familien stehen in diesem Winter vor der Kälte schutzlos da. Mit deiner Spende kannst du Wärme und Hoffnung schenken. Hilf uns, Familien mit Öfen, Decken, Winterkleidung und Nahrungsmitteln zu versorgen. Jeder Beitrag zählt.