15.04.2025

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Zwei Jahre Leid – kein Ende in Sicht: Die humanitäre Krise im Sudan spitzt sich weiter zu

Ein Leben im Ausnahmezustand: Zwei Jahre Krieg im Sudan

Im April 2023 brach im Sudan ein verheerender Krieg aus, der Millionen Menschen zur Flucht zwang, unzählige Leben zerstörte und tiefe Spuren der Verwüstung hinterließ. Für Mubarak Malik Abu Baker Mohammed, Mitarbeiter von Islamic Relief, bedeutet dieser Konflikt ein endloser Kreislauf aus Flucht, Gefahr und Angst, aber auch aus unerschütterlichem humanitärem Einsatz.

Mubaraks Geschichte ist kein Einzelfall. Sie steht stellvertretend für das Leid von Millionen sudanesischer Zivilist*innen, die zwischen die Fronten eines brutalen Krieges geraten sind. Ein Krieg, der selbst nicht  jene verschont, die ihr Leben für die Hilfe Anderer widmen.

Sudan HDR

Der Krieg nimmt alles - auch das Zuhause

Mubarak trat Islamic Relief im Ramadan 2023 bei – nur wenige Tage vor dem Ausbruch der Gewalt. Stationiert in Dilling, hatte er sich kaum in seiner neuen Rolle eingelebt, als die ersten Kämpfe begannen.

„Am Ende des Ramadan begann der Krieg“, erinnert er sich.

Was folgte, war eine Kette von Zwangsumsiedlungen: erst nach El Obeid, dann nach Sennar, weiter nach Gedaref und schließlich in den Bundesstaat Blue Nile.

„Ich war inzwischen in fast allen Islamic Relief Büros – nur Port Sudan fehlt noch“, sagt er.

Jeder dieser Ortswechsel war ein Versuch, dem Vormarsch von Milizen, Plünderern und bewaffneten Gruppen zu entkommen. Straßen waren gesäumt von Kontrollpunkten, Städte wurden belagert. Selbst das Büro von Islamic Relief in Sennar geriet ins Visier.

„Die Straße von El Obeid nach Sennar war voller Kontrollpunkte und Überfälle“, erzählt Mubarak.
„Dort wurde mir auch mein Laptop und mein Gepäck gestohlen.“

Doch trotz persönlicher Verluste bleibt Mubarak bescheiden – und erinnert an das größere Bild:

„Wenn man sieht, wie sehr andere gelitten haben, erscheint das eigene Leid fast belanglos.
Wer seine Sachen verliert, trifft auf Menschen, die alles verloren haben.“

Der Verlust eines Helden

Der Krieg im Sudan hat nicht nur Millionen Menschen zur Flucht gezwungen – er hat auch das Leben unzähliger humanitärer Helferinnen, Freiwilliger und Zivilistinnen gefordert. Einer von ihnen war Izzeldin Mohamed Juma, ein geschätztes Mitglied der Islamic Relief-Familie.

Izzeldin war 49 Jahre alt und hatte sein ganzes Leben dem Dienst an anderen gewidmet. Über 30 Jahre lang arbeitete er für Islamic Relief, zunächst als Sicherheitskraft, später als Empfangsmitarbeiter. Stets sorgte er für die Sicherheit der Mitarbeitenden und der Menschen, denen wir helfen.

Am 11. März 2024 drangen bewaffnete Männer in sein Haus im Stadtteil Jebel Aulia in Khartum ein, plünderten es und töteten Izzeldin, als er versuchte, seine Familie zu schützen.

Sein Tod ist ein schwerer Verlust – nicht nur für Islamic Relief, sondern für all jene, denen er über drei Jahrzehnte hinweg geholfen hat. Er ist ein erschütterndes Beispiel für die lebensbedrohliche Realität, der sich Hilfskräfte und Zivilist*innen im Sudan täglich aussetzen müssen.

„Das ist die Angst, mit der wir jeden Tag leben“, sagt Mubarak.
„Wir wissen nie, ob wir abends heil nach Hause kommen. Fast täglich hören wir von einem Kollegen oder einer Freundin, die getötet oder vertrieben wurden. Aber wir machen weiter – weil die Menschen uns brauchen.“

Ein vergessenes Volk

Der Sudan steht am Rande des Zusammenbruchs: Über 12 Millionen Menschen wurden vertrieben, mehr als 30 Millionen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. In mehreren Regionen wurde bereits eine Hungersnot ausgerufen – mehr als 25 Millionen Menschen leiden unter akuter Ernährungsunsicherheit. Hunger breitet sich aus, das Gesundheitssystem ist kollabiert, ganze Städte wurden geplündert und niedergebrannt.

Mubarak erlebte das Chaos hautnah – in Dilling, einer Stadt, umzingelt von bewaffneten Gruppen, die Zivilist*innen auf der Flucht überfallen:

„Die Märkte wurden geplündert. Die Banken auch. Und wir arbeiten mittendrin“, berichtet er.

Trotz dieser extremen Lage ist Islamic Relief weiterhin in vielen Hochrisikogebieten aktiv: mit Lebensmitteln, Medikamenten, Notunterkünften und Bargeldhilfen für Familien auf der Flucht.

„Wenn du die Hilfe verteilst und das Lächeln auf den Gesichtern der Vertriebenen siehst – das gibt dir Kraft“, sagt Mubarak.

Doch die Not ist überwältigend. Finanzierungsengpässe zwingen viele Organisationen dazu, lebenswichtige Programme zu beenden. Millionen Menschen bleiben dadurch ohne Unterstützung.

Warum Islamic Relief bleibt – und warum das zählt

Trotz aller Gefahren setzen die Mitarbeitenden von Islamic Relief ihre Arbeit im Sudan fort. Für Mubarak ist der Grund klar:

„Die Organisation hat so viel zu geben – das ist es, was uns trotz allem zum Bleiben bewegt hat.“

In Regionen wie West-Kordofan, Nord-Kordofan und Zentral-Darfur – heute aktive Kriegsgebiete – arbeiten unsere Teams unter extremem Risiko, damit Hilfe genau dort ankommt, wo sie am dringendsten gebraucht wird.

Doch während der Krieg bereits ins dritte Jahr geht, blickt die Welt weiter weg.
Erschöpfte Geber, politische Prioritätenverschiebungen und andere globale Krisen drohen, die Not im Sudan vollständig in Vergessenheit geraten zu lassen.

Sudanese Men

Wir dürfen nicht wegsehen

Der Krieg hat den Sudan zerrissen. Familien fliehen tagelang zu Fuß vor der Gewalt. Kinder hungern. Krankenhäuser ohne Medikamente schicken Kranke und Verwundete fort.

Die Geschichte von Mubarak und das Opfer von Izzeldin stehen stellvertretend für die Grausamkeit dieses Krieges – aber auch für die Stärke und den Mut derjenigen, die nicht aufgeben.

„Ich bin nur ein Beispiel für viele Kolleg*innen, die unter dem Krieg leiden und diese schweren Zeiten miterleben“, sagt Mubarak.
„Alle Islamic Relief Mitarbeitenden im Sudan haben ihre eigenen Geschichten – jede von ihnen wäre eine Fallstudie wert.“

Angesichts dieses traurigen Jahrestags müssen wir uns fragen:
Wird die Welt weiter wegsehen?

Islamic Relief bleibt an vorderster Front, doch wir können es nicht allein schaffen. Der Sudan braucht dringend:

  • Finanzielle Unterstützung

  • Zugang für Hilfsorganisationen

  • Und vor allem: dauerhaften Frieden